Tabea Bolliger
Theaterschneiderin
Ich habe meine Bastel-Leidenschaft zum Beruf gemacht – so kommt es mir zumindest manchmal vor, wenn ich gerade eine Hose zerfetze und anmale, aus Schaumstoff einen Bauch forme oder Bienenflügel aus Tüll und Fischerdraht nähe. Und das sind nur drei der Arbeiten, die ich in meinem halben Jahr als Theaterschneiderin ausführen durfte. Mit 13 habe ich erfahren, dass man sich zur Schneiderin ausbilden lassen kann. Sofort war ich Feuer und Flamme und habe alles darangesetzt, eine Lehrstelle zu bekommen. Im Sommer 2015 konnte ich dann meine Lehre in Aarau beginnen. Wie im Flug vergingen die drei Lehrjahre und ich stand vor der schweren Entscheidung, was kommt danach? Für mich war von Anfang an klar, dass ich mich weiterbilden wollte, nur zu was? Jedes Jahr erhielt unser Lehrbetrieb eine Einladung zu einem Infoabend über die Weiterbildung zur Theaterschneiderin. Diesen besuchte ich und wusste sofort, dass ich das machen wollte. Das Theater ist eine eigene Welt. Die verschiedenen Berufe, die Menschen, aber vor allem die Geschichten faszinieren mich. Auch sind die Aufgaben einer Theaterschneiderin in vielen Bereichen weit entfernt von denen einer herkömmlichen Schneiderin. Manchmal gleicht mein Arbeitsplatz mehr einem Basteltisch als dem einer Schneiderin.
Ich mache meine Weiterbildung zur Theaterschneiderin an der «modeco» (Schweizerische Fachschule für Mode und Gestaltung) in Zürich. Sie ist die einzige Ausbildungsstätte in der Deutschschweiz. Aus diesem Grund sind meine Tage ziemlich lang, da ich von Aargau Süd nach Zürich pendle.
Jeden Montagmorgen haben wir «Herrenverarbeitung», wo uns ein Herrenschneider sein Handwerk zeigt. Am Nachmittag steht Zeichnen und Gestaltungsunterricht auf dem Programm. Am Mittwochnachmittag haben wir Kostümgeschichte und den Rest der Woche arbeiten wir an Kundenaufträgen, die wir von verschiedenen Theatern bekommen. Unser Unterricht ist eng mit der Praxis verbunden. So nähen wir Musterstücke von Verschlüssen wie einen Ösenverschluss oder oft gebrauchte Kleidungsstücke wie z. B. ein Mieder. Daneben haben wir auch immer wieder Workshops, in denen wir Einblicke in die verschiedenen Facetten der Theaterschneiderei erhalten. So lernten wir einen Hut zu nähen, einen Watton herzustellen (das ist ein Anzug, der den Körper «verformt») oder eine Hose so zu präparieren, dass sie abgenutzt aussieht.
Das grösste Projekt des Jahres steht jedoch noch an: unser Jahreskostüm. Dieses herzustellen, ist unsere Abschlussarbeit und wird uns die zweite Hälfte der Weiterbildung beschäftigen. Abgesehen vom Unterbau, bei dem wir zwischen zwei Silhouetten wählen können, ist alles andere freigestellt. Wir können das Kostüm ganz nach unseren Vorstellungen gestalten.
Ich bedanke mich von Herzen bei der Fritz-Gerber-Stiftung für Ihre grosszügige Unterstützung, ohne die ich mir meine Weiterbildung kaum hätte leisten können.
Tabea Bolliger
Januar, 2020
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