Noah Gramss
Modedesigner
In dem sozial benachteiligten Quartier Bern Bethlehem, noch präziser im «Familien Support Bern West», dem Kinderheim, in dem ich lebte, war Fussballspieler zu werden eigentlich das einzige halb ernste Ziel, das man als Junge mit 13 Jahren dort so hatte, mich eingeschlossen.
Hätte man mir damals gesagt, dass ich von der Realschule auf die Sekundarschule, danach aufs Gymnasium und schliesslich an eine der beiden renommiertesten Kunstschulen in Paris kommen würde, hätte ich vermutlich ungläubig abgewunken. Schliesslich glaubte niemand so wirklich daran – ausser meiner Mutter. Trotz ihrer psychischen Erkrankung setzte sie sich immer für mich ein.
Während des Gymnasiums begann ich mich für Kunst zu interessieren. Jeden Dienstagabend ging ich zum freiwilligen Kurs «Bildnerisches Gestalten». Dort sprach mir meine damalige Lehrerin Mut zu, eine gestalterische Laufbahn zu verfolgen. Danach fing ich an, auch in meiner Freizeit kreativ zu arbeiten, und es eröffnete sich mir eine neue, von mir zuvor unerforschte Welt.
Ich begann zu malen, zu drucken und Musik zu machen. Ich brachte mir ein Musikprogramm bei, mit dem ich dann 2020 mein erstes Album auf Spotify veröffentlichte. Danach las ich mich in die Videografie ein und veröffentlichte mein erstes Musikvideo. Neben der Musik, die für mich mehr einen therapeutischen Effekt hatte, begann ich mich bildnerisch immer mehr von der zweidimensionalen hin zur dreidimensionalen Bildsprache zu entwickeln.
Während des Vorkurses für Gestaltung und Kunst in Biel begann ich, ein digitales 3D-Programm zu lernen und kreierte meine ersten semi-digitalen Installationen. 2021 hatten wir dann einen Workshop, in dem wir einen kleinen Einblick in die textile Welt bekamen. In dieser Workshop-Woche verliess ich unser Schulgebäude nicht vor 22 Uhr. Ich war komplett fasziniert von der Arbeit mit Textilien – so sehr, dass ich mir direkt nach dem Vorkurs eine gebrauchte Nähmaschine kaufte und sofort zuhause loslegte. Danach habe ich genäht, was das Zeug hielt – alles «learning by doing». Ich wusste, dass ich das zu meinem Beruf machen wollte. Denn insbesondere in der Mode gibt es noch so viel Luft nach oben, sei es bei der Thematik der Körperform-Standards, der geschlechtsspezifischen Kleidungsidentität oder auch in der allgemeinen ökologischen und ökonomischen Praxis in der Modewelt.
Ich beschloss, die Kreation von Kleidung an einer Hochschule zu studieren. Nach einem langen Entscheidungsprozess meldete ich mich für die Prüfungen an der Hochschule für Gestaltung und Kunst Basel und der École nationale supérieure des arts décoratifs (ENSAD) in Paris an. Basel war für mich eine realistische Möglichkeit, meine Arbeit weiter zu vertiefen. Paris hingegen war eher ein Traum – der Traum, von grossen Persönlichkeiten wie der langjährigen rechten Hand von Jean-Paul Gaultier zu lernen und zu verstehen.
Die Wahrscheinlichkeit, die Aufnahmeprüfung in Paris zu bestehen, schätzte ich eher gering ein: ein dreistufiges Bewerbungsverfahren, 4 000 Bewerberinnen und Bewerber, alles in einer Fremdsprache. Doch überraschenderweise wurde ich tatsächlich angenommen. Nun begann ein weiterer grosser Schritt des Erwachsenwerdens.
Ich packte ein Auto voll mit meinen nötigsten Besitztümern und fuhr One-Way nach Paris. Diesen Schritt zu machen und meinen Horizont dermassen erweitern zu können, war nur dank der grosszügigen Unterstützung der Fritz-Gerber-Stiftung möglich. Dafür möchte ich mich herzlich bedanken und hoffe, dass ich der Stiftung und der Gesellschaft eines Tages wieder etwas zurückgeben kann. Vielen lieben Dank.
Noah Gramss
Dezember, 2024
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